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Channel: Buchmesse – Los Superdemokraticos
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Peri-Feria

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Wir sind angekommen! Auf der Messe! Wir wohnen in einem kleinen Dorf außerhalb der Innenstadt und gehen jeden Morgen zu Fuß zur S-Bahn, eine Brücke führt über einen rauschenden Bach mit wilden Orchideen, die am Ufer wachsen, helle, warme Herbstluft, gepflügte Äcker, sogar ein Pferd ist morgens unterwegs.

Der Weg zur Messe. Herbst in Hessen.

Wir gehen „übers Feld“, wie unser netter Gastgeber Paul sagt. Paul liebt Bolivien und seine Wohnung ist bolivianischer als die eines Bolivianers, würde ich mal behaupten: Fotos der Flora und Fauna, die bolivanische Landesflagge, Collagen aus Biersortenlabels (Quilmes, Huari…), Messer in Lederscheiden. In seinem Regal stehen Bücher über Lateinamerika, ein Stadtplan seines Wohnorts dagegen nicht. Wo ist Bolivien, wo ist Frankfurt? Wie verorten wir uns heute,  in welchen imaginären Landschaften? Und ist nicht alles, was wir leben, auch wenn wir es nicht aufschreiben, Fiktion? Wir sind in jeder Minute die Autoren unseres eigenen Lebens – und welche Perspektive nehmen wir ein, eine Zentralperspektive oder eine vom Rand? Von der Peripherie?

Ich nenne die größte Buchmesse der Welt, die Feria de Libro, jetzt nur noch Peri-Feria del Mundo. Es präsentieren sich Verlage aus 111 Ländern: die meisten, 3.315 kommen logischerweise aus Deutschland, 97 aus dem Ehrengastland Argentinien, hier der Gesamtüberblick. Die gesamte Bücherwelt ist zwar in neun Hallen vereint, aber auch hier gibt es Hallen, die voll sind, Hallen, die leerer sind, sozusagen beliebte touristische Regionen und noch unentdeckte Orte, Ränder, leise Stimmen, Unsichtbares. Wir selbst schreiben vom Stand der Bundeszentrale für politische Bildung, Halle 3.1, H141, der Halle für „Fiction and Non-Fiction“ aus. Vom Nebenstand grinst eine Obama-Pappfigur herüber, von schräg blickt mich ein Weihnachtslied-Zitat an, ein christliches Magazin stellt sich vor. Gleich höre ich mir an, wie die MERCOSUR-Länderkulturell  zusammenarbeiten wollen, wie eine „auf Vielfalt, Toleranz und Multikulturalismus basierende Identität“ entstehen kann, organisiert vom brasilianischen Generalkonsulat. Das wahre Zentrum ist dein Zentrum der Aufmerksamkeit.


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